Disneys goldene Jahre
Disneys goldene Ära ist bekanntermaßen schon seit langer Zeit vorbei. Das
Traditionsstudio, dass dem Zuschauer so wunderbare Klassiker wie DAS
DSCHUNGELBUCH (THE JUNGLE BOOK, 1967), SCHNEEWITTCHEN UND DIE SIEBEN ZWERGE
(SNOW WHITE AND THE SEVEN DWARFS, 1937) und BAMBI (1942) bescherte, hatte seit
Walt Disneys Tod 1966 schwer Schlagseite bekommen. Es dauerte einige Zeit, bis
man sich von dem Schock erholte und trotzdem fand man lange, lange Jahre nicht
zur alten Stärke zurück. Der Glanz, der Disney jahrelang begleitet hatte
verblasste zusehends, ohne komplett zu vergehen.
Mit Toy Story eroberte Pixar erstmalig die Herzen der Zuschauer
Mit ARIELLE DIE MEERJUNGFRAU (THE LITTLE MERMAID, 1989) melde man sich dann
wieder zurück. Die Wiederauferstehung wie Phönix aus der Asche krönte man mit dem
modernen Klassiker DER KÖNIG DER LÖWEN (THE LION KING, 1994). Disney schien
wieder aufzublühen, doch das neu einverleibte Pixar Studio stand mit TOY STORY
(1995) bereits in den Startlöchern. In den kommenden Jahren sollte das
Animationsstudio zeigen, dass es dem Altmeister nicht nur das Wasser reichen,
sondern sogar den Rang ablaufen konnte.
Der Animationsfilm entwickelt sich weiter
Der digitale Animationsfilm wurde über die Jahre immer wichtiger und
beliebter, während der gezeichnete Film immer weiter an Bedeutung verlor. Pixar
wurde zum neuen Genre-Primus, der auch heute noch ganz ohne Zweifel an der
Spitze steht. Disney hingegen verpasste
den Anschluss und ließ die Schere immer weiter aufklaffen. Für Disney war es
zwar immer noch eine Win-Win-Situation, schließlich war Pixar Teil des
Disney-Konglomerats, doch schien man sich bei Disney verzweifelt an die
Hoffnung zu klammern, dass der digitale Animationsfilm nur eine Phase war, die
man aussitzen musste. Intern schien man allerdings auch nicht gänzlich
überzeugt von der Idee zu sein, denn Disney selbst startete einige Gehversuche mit
Hilfe der neuen Technik. Allerdings waren dies bestenfalls halbherzige
Versuche, denen es an Hingabe und Leidenschaft fehlte. DINOSAURIER (DINOSAUR,
2000) war wenig mehr als eine Tech-Demo, ohne Herz. Nicht weniger enttäuschend HIMMEL
UND HUHN (CHICKEN LITTLE, 2005) und TRIFF DIE ROBINSONS (MEET THE ROBINSONS,
2007). Beiden Filmen fehlte es an Charme, Witz, Charakter und erinnerungswürdigen
Momenten. Disney drohte immer weiter in der Bedeutungslosigkeit zu
verschwinden.
Disneys Rückkehr zur alten Stärke oder doch nur ein Glückstreffer?
Es sollte bis 2010 dauern, bis Disney endlich zeigte, dass man den
digitalen Film ebenfalls beherrschte. Dass John Lasseter als Produzent mit an
Bord von RAPUNZEL (TANGLED) war, ist sicherlich kein Zufall. Als der neueste
Animationsfilm veröffentlicht wurde, entpuppte er sich als wirklich gelungener
Vertreter, der den Charme der alten Klassiker in sich trug. Das Design war
gelungen, die Figuren liebenswürdig, die Handlung konnte überzeugen und die
Musical-Einlagen, für die Disney berühmt-berüchtigt war, hatten ihren Weg in
den Film gefunden. Selbst eine misslungene Werbekampagne mit irreführenden
Trailern konnte nicht verhindern, dass der Film ein Achtungserfolg wurde und
von Kritikern positive Stimmen erhielt. Plötzlich keimte die Hoffnung wieder
auf, dass Disney es doch noch verstand Unterhaltung für die ganze Familie zu
produzieren. Allerdings musste sich erst zeigen, dass TANGLED mehr als nur ein simpler
Glückstreffer war.
Rapunzel im Disney Animationsfilm TANGLED
Zwei Jahre später erschien RALPH REICHT’S (WRECK-IT RALPH, 2012), der
ebenfalls erfolgreich war, insgesamt jedoch nicht soviel Aufmerksamkeit erhielt
wie TANGLED. Ein Jahr darauf veröffentlichte Disney schließlich seinen nächsten
Animationsfilm DIE EISKÖNIGIN (FROZEN), der passend zum Weihnachtsgeschäft in
den Kinos lief. Mittlerweile ist bekannt dass FROZEN mit einem Einspielergebnis
von mehr als 1 Milliarden Dollar der erfolgreichste Animationsfilm aller Zeiten
ist. Ein Ergebnis das selbstverständlich mit Vorsicht zu genießen ist, denn in
Zeiten, bei denen der 3D-Aufschlag einen nicht unerheblichen Anteil des
Umsatzes ausmacht, sind diese Zahlen nur bedingt aussagefähig. Die Auszeichnung
mit dem Oscar für „Bester Animationsfilm“ ist hingegen ein klares Zeichen für
die Qualität des Films. In Deutschland lassen die ermittelten Besucherzahlen zudem
einen klareren Blick auf die Beliebtheit des Films zu. Mit etwas mehr als 4,5
Millionen Besuchern, zeigt sich auch hierzulande, dass der Film sein Publikum
gefunden hat. Die DVD/BD wurde am 03. April 2014 veröffentlicht. Der richtige
Zeitpunkt also, um den Film genauer unter die Lupe zu nehmen.
Die Eiskönigin (Frozen)
Bei der Story orientiert man sich an Hans Christian Andersens Märchen Die Schneekönigin. Eine Idee, die man
bei Walt Disney Pictures in Form eines Live-Action-Films verfolgte und alsbald wieder
verwarf. 2010 griff man die Idee wieder im Animationsstudio auf, orientierte
sich jedoch in Bezug auf die Handlung nur rudimentär an der Vorlage und nutzte ansonsten
ausgiebig den kreativen Freiraum. Das künstlerische Team das sich bereits bei
TANGLED bewährt hatte, wurde auch bei DIE EISKÖNIGIN eingesetzt.
Anna, Olaf, Kristoff und Sven
Die Story
Die Hauptfiguren sind die Schwestern Anna (Kristen Bell) und Elsa (Idina
Menzel). Als Kinder sind sie unzertrennliche Freundinnen und Elsas besondere (Eis-)Kräfte
sind ein Riesenspaß für die Schwestern. Aus Spaß wird jedoch Ernst, als Elsa
aus Versehen Anna mit ihren Kräften verletzt. Nur der Magie von Trollen ist es
zu verdanken, dass Anna wieder gesund wird. Doch die Heilung hat ihren Preis,
denn man löscht auch sämtliche Erinnerungen an Elsas magische Kräfte. Von
diesem Tag an leben sich die beiden Schwestern auseinander. Elsa, die
Thronfolgerin, versucht unter der Führung ihrer Eltern ihre Kräfte unter
Kontrolle zu bringen, während Anna immer wieder versucht die scheinbar
zerbrochene Beziehung zu kitten. Die Jahre vergehen, doch die einstmals
unzertrennlichen Geschwister finden nicht mehr zueinander. Der Keil wird noch
tiefer zwischen sie getrieben, als ihre Eltern tödlich verunglücken. Erst als
mit Elsas Volljährigkeit auch ihre Krönung zur Königin in aller Öffentlichkeit
ansteht, treffen die beiden Schwestern wieder aufeinander. Als Elsa, von
Emotionen getrieben, die Kontrolle über ihre Kräfte verliert, wird das kleine
Städtchen Arendelle in einen ewigen Winter geworfen. Elsa flieht in die Berge
und Anna versucht zum Herzen ihrer Schwester vorzudringen, als sie sich allein
auf den Weg in die Berge macht.
Die Figuren
Mit den beiden Hauptfiguren ist Disney schon einmal der erste große Treffer
gelungen. Nicht nur dass die Figuren wirklich beide sehr liebenswert sind und
auch erstklassig designt wurden. Nein, mit Elsa verzichtet man auch auf eine klischebeladene
Antagonistin. Die „Zauberin“ ist nicht einfach böse und versucht das Volk zu
unterjochen. Elsa ist selbst ein Opfer ihrer Kräfte und leidet unter der
Verantwortung die wie eine schwere Bürde auf ihren jungen Schultern lastet.
Annas Hingabe, ihr kindliches, leicht naives Verhalten und die bedingungslose
Zuneigung, die sie für ihre Schwester empfindet sind nicht weniger liebenswert.
Die Liebe zwischen den beiden Figuren ist greifbar und authentisch und liefert
die perfekte Leinwand für die gesamte Geschichte.
Auch Elsa ist bezaubernd und eine vielschichtige Figur
Neben Anna und Elsa verkommen die männlichen Hauptfiguren tatsächlich eher zu
Nebenrollen. Da wären zum einen Kristoff (Jonathan Groff), ein Eishändler, der
mit seinem treuen Rentier Sven durch die Berge zieht und Anna bei ihrer Suche
tatkräftig unter die Arme greift. Außerdem ist da noch Hans (Santino Fontana),
ein Prinz, der sich in Anna verliebt und ihr sogleich den Hof macht. Und zu
guter Letzt wäre da noch der lebende Schneemann Olaf (Josh Gad), der voller
romantischer Verklärtheit an ein Leben unter der warmen Sommersonne denkt.
Bereits Flynn Riders Pferd in RAPUNZEL stellte unter Beweis, dass eine
ausgeprägte Mimik genügt (gut, eigentlich haben das schon etliche Schauspieler
vorher bewiesen, aber nun denn) um Witze zu reißen. Rentier Sven steht dem
Pferd in nichts nach. Ein paar Geräusche lässt der gute Sven natürlich auch von
sich, aber von einer Artikulation kann nicht die Rede sein (wobei er zuweilen
ein wenig wie unser haariger Wookie Chewbacca klingt). Kristoff, der bereits lange
Jahre mit Sven durch die Wälder streift, kennt seinen Kameraden so gut, dass er
immer wieder das Wort für Sven ergreift. Hier hat man ein amüsantes Duo
entworfen, dass herrlich skurril ist. Schneemann Olaf hingegen ist der witzige
Sidekick, der in fast keinem Animationsfilm fehlen darf. Leider hat man seine
meisten Witze bereits im Trailer zu Gesicht bekommen, trotzdem ist Olaf wirklich
hervorragend und sorgt weiterhin für etliche Lacher. Seine Naivität und
Direktheit ist einfach herrlich und herzallerliebst.
Rentier Sven ist immer für einen Lacher gut
Das Drehbuch
Insgesamt muss man jedoch sagen, dass FROZEN nicht gerade vor Witz
übersprüht. Die Pointen die man untergebracht hat, zünden jedoch in aller
Regel. Qualität statt Quantität. Hierdurch verpasst man der ansonsten recht
emotionalen Geschichte etwas mehr Leichtigkeit. Die Drehbuchautoren Jennifer
Lee, Chris Buck und Dean Wellins setzen insgesamt viel mehr Wert auf
Charakterentwicklung und die besondere Beziehung zwischen den beiden
Schwestern. Eine Fokussierung, die nicht nur erfrischend, da in gewisser Weise
fast ungewohnt bei Disney ist, sondern zugleich auch als wirklich gelungen und
glaubwürdig bezeichnet werden muss. Allerdings formt man diese Beziehung
maßgeblich in den ersten Minuten des Films, feilt danach nur noch an Nuancen. Das
Auseinderdriften der beiden Geschwister ist zudem ausgezeichnet gelungen und
wird nur von der Eingangssequenz in OBEN (UP, 2009) in den Schatten gestellt.
In FROZEN kommt keine Langeweile auf
Mit einer Laufzeit von knapp über 100 Minuten hat FROZEN genau die richtige
Länge, ist fast schon ein wenig zu kurz. Langeweile oder langatmige Momente
gibt es keine. Es wird ein konstant hohes Tempo angeschlagen, voller
Abwechslung und ohne Hektik. In den richtigen Momenten drosselt man das Tempo,
lässt die Szenen auf den Zuschauer einwirken. Der Film vergeht wie im Flug und
bietet eine schöne Mischung aus Abenteuer, Magie, Romantik, Spannung und auch
einige Überraschungen. Ein paar Schnitzer erlaubt man sich im Drehbuch allerdings trotzdem. Enttäuschend ist beispielsweise, dass man, wie bereits erwähnt, den männlichen Figuren so wenig Spielraum einräumt. Insbesondere Kristoffs Hintergrundgeschichte wirkt wenig durchdacht und überhastet. Auch die Trolle wirken ein wenig aufgesetzt, verkommen ein wenig zu einer Behelfslösung, mit der man die Handlung rettet. Elsas Entscheidung, sich nicht in der Außenwelt aufzuhalten und mit ihrer Schwester Kontakt aufzunehmen, ist auch nicht unbedingt schlüssig, aber nicht zwangsläufig falsch.
Walt Disneys Traum
Würde Walt Disney noch leben, er hätte FROZEN nicht anders umsetzen lassen.
Alle Zutaten der Disney-Klassiker vereint auch FROZEN in sich. Überraschend
auch, wie häufig im neuesten Animationsfilm gesungen wird. Was den einen oder
anderen Zuschauer sicherlich abschrecken dürfte, stört eigentlich nicht weiter,
im Gegenteil. Außerdem hält man sich an die Anforderung, die Disney damals an sämtliche
Musical-Einlagen stellte: Handlung oder Charakterisierung dürfen nicht auf
Grund der Lieder zum Stillstand kommen. Sämtliche Lieder die ihren Weg in den
Film gefunden haben, führen die Story gekonnt fort und gehen darüber hinaus
sogar ins Ohr. Der Oscar für „Bester Filmsong“ für den Titel „Let It Go“ ist
völlig verdient. Der Score von Christophe Beck ist im Übrigen auch bezaubernd
und trifft immer die richtigen Töne.
Ein letztes Wort noch zum Artdesign des Films. Wer TANGLED mochte, dem wird
auch FROZEN gefallen, soviel ist sicher. Die Künstler haben sich wirklich viel
Mühe gegeben und liebenswerte Figuren entworfen, die voller Leben stecken. Die
Animationen sind erstklassig. Sei es nun die Gestik oder die Mimik, alles ist punktgenau
umgesetzt. Ein besonderes Lob gebührt den magischen Kräften Elsas und deren
Umsetzung. Eis, Schnee und Kälte waren noch nie so lebendig und sind überaus
elegant und bezaubernd umgesetzt.
Fazit
Disney zeigt mit FROZEN eindrücklich, dass man das Studio nicht mehr allein
auf Pixar reduzieren muss. Die hohe Kunst der Unterhaltung beherrscht auch das
Traditionsstudio noch erstklassig. Die kleineren Mängel liegen im Drehbuch verborgen. Einzelne Figuren werden nicht so stark ausgefüllt, wie ihnen gut tun würde und manche Storyelemente wirken etwas unüberlegt. Ob man sich daran wirklich stört, hängt vom Einzelnen ab. Es bleibt auf jeden Fall zu sagen: Bitte mehr davon!
8/10
Originaltitel: Frozen
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 2013
Genres: Animation
Freigabe: FSK 0
Regie: Chris Buck, Jennifer Lee
Darsteller: Kristen Bell, Jonathan Groff, Idina Menzel u.a.